Reid’s Palace Madeira: Wo Churchill Geschichte schrieb
Reid’s Palace Madeira: Wo Churchill Geschichte schrieb

Reid’s Palace Madeira: Wo Churchill Geschichte schrieb

Beste Aussicht inbegriffen: Belmond Reid's Palace Hotel auf Madeira. (c) Pohl
Beste Aussicht inbegriffen: Belmond Reid’s Palace Hotel auf Madeira. (c) Pohl

Winston Churchill ist hierzulande vor allem für seine zahlreichen klugen Sätze bekannt – auch wenn es für einige der bekanntesten Zitate gar keine Belege gibt. „First no sports” etwa mag irgendwann einmal irgendjemand von sich behauptet haben; ob dies aber der frühere britische Premierminister war, ist nicht bewiesen. Ebenso wenig fehlen gesicherte Quellen zur Herkunft des oft zitierten Satzes „Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe”. Dass dieser in Großbritannien eher unbekannt ist, spricht sogar eher gegen einen Zusammenhang mit Churchill.

Unbestritten von Churchill — sowie zugegebenermaßen einem ganzen Stab von Mitarbeitern — stammt die Buchreiche „Der Zweite Weltkrieg”. Der große Staatsmann arbeitete darin von 1948 an die Periode zwischen dem Ende des Ersten und Zweiten Weltkrieges auf. Sechs Bände entstanden ursprünglich, in späteren Editionen wurden die Kapitel teilweise auf noch mehr Teile gesplittet. Eine Art Geschichtserklärung aus britischer Sicht, die von Erfolg gekrönt wurde: „Der Zweite Weltkrieg” gab den Ausschlag dafür, dass Churchill 1953 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Der Erfolg mag auch im entspannten Umfeld begründet liegen, in dem das Werk entstand. Churchill schrieb es zumindest in Teilen nicht auf seinem idyllischen Landsitz Chartwell in Kent — sondern in einem Hotel im warmen Süden: Reid’s Palace auf Madeira.

Churchill wird auf Madeira gefeiert


Am 2. Januar 1950 trafen Churchill und seine Familie mit dem Kreuzfahrtschiff „Durban Castle” auf der Insel ein – primär, weil sich der Politiker von einer längeren Krankheit erholen und zudem Kraft für den bevorstehenden Wahlkampf tanken wollte. Einwohner versammelten sich zu seiner Ankunft am Hafen und bejubelten den „Mann, der die Welt gerettet hatte”, wie sie riefen. Trotz seiner verlorenen Wahl 1945 genoss der Staatsmann unangreifbar den Status desjenigen, der großen Anteil am Ende des Zweiten Weltkrieges hatte. „Ich bin von vielen Menschen in der Welt begrüßt worden, für die ich etwas getan habe”, notierte Churchill später. „Aber ich bin nie in zuvor in meinem Leben mit solchem Enthusiasmus von Menschen begrüßt worden, für die ich nie irgendetwas getan habe.” Portugal und somit auch Madeira blieben während des Zweiten Weltkrieges neutral, hier war Churchill streng genommen nicht der Befreier wie für andere Nationen.

Mit seiner Staffelei und den Unterlagen für sein Buchprojekt machte sich Churchill umgehend auf den Weg zum Reid’s Palace. Er sollte nicht einmal zwei Wochen auf der Insel bleiben, doch die Fotos von ihm beim Malen am Hafen von Camara de Lobos sind bis heute bekannt. Erzählungen nach soll Churchill von einem Landsmann auf der Insel einen Rolls Royce für seinen Aufenthalt zur Verfügung gestellt bekommen haben — eine kleine Bar im Kofferraum inbegriffen.

Es fällt schwer, auf Madeira den perfekten Ort zu finden — denn es gibt hier einfach zu viele davon. Doch dürfte Reid’s Palace zu den perfektesten gehören. Der Schotte William Reid ließ den Bau von 1887 an einer Klippe in der Inselhauptstadt Funchal errichten. 1836 hatte er sich selbst auf der portugiesischen Insel niedergelassen, um hier unter anderem als Weinhändler und Vermieter seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Fertigstellung seines Luxushotels erlebte Reid selbst nicht mehr mit: Er starb nur ein Jahr nach Baubeginn.

Erst 1891 öffnete Reid’s Palace seine Pforten. Und das Hotel fand umgehend seine Gäste. Wohlhabende Briten zog es zunehmend auf die sonnensichere Insel im Atlantik, sie kamen mit Kreuzfahrtschiffen und steuerten nur allzu oft ein Ziel an: Reid’s Palace. Das rosarote Gebäude bot jeden erdenklichen Luxus, den viele aus ihrer Heimat gewohnt waren. Und mehr noch: Der Blick von der Terrasse auf den malerischen Hanggarten und darüber hinaus auf das Meer verzauberte jeden umgehend. Noch heute genießen ihn die Gäste — und bis heute wird auf ebenjener Terrasse eine urbritische Tradition gepflegt: der Afternoon Tea. An jedem Nachmittag kann man sich hier mit Sandwiches, Scones und einer Kanne Tee verwöhnen lassen, Meerblick inbegriffen.

Thatcher, Chaplin, Peck — und viele mehr


Das Hotel wurde bereits vor Churchills Aufenthalt zu einem Anziehungspunkt für Berühmtheiten. Der irische Dramatiker George Bernard Shaw kam in den Zwanzigerjahren, um sich für mehrere Wochen zu erholen. In Reid’s Palace lernte er Tango und schrieb später über seinen Tanzlehrer aus Madeira: „Der einzige Mann, der mich jemals irgendetwas lehrte.” Andere große Namen folgten: Margaret Thatcher, Gregory Peck, Charlie Chaplin und viele mehr. Der frühere kubanische Diktator Fulgencio Batista kam sogar für zwei Jahre und miete eine ganze Etage im Hotel.

Mehrfach wechselte das Traditionshaus den Besitzer. 1937 übernahm die auf der Insel wohlbekannte Familie Blandy Reid’s Palace. Blandy gehört bis heute zu den bedeutendsten Weinfirmen Madeiras. Unter ihrer Leitung erhielt das Gebäude einen neuen Ostflügel. 1967 folgte der Gartenflügel, 1970 trat das Hotel dem internationalen Luxushotelverbund Leading Hotels of the World bei. 1990 wurde Reid’s Palace noch einmal grundlegend saniert, ohne dabei den kolonialen Charme zu verlieren. 1996 schließlich übernahm Orient-Express-Hotels (heute Belmond) das Hotel. Ganz bewusst setzt man hier bis heute auf Tradition, dazu gehört auch ein gewisser Dresscode am Abend, an dem noch immer der Dinnerdance stattfindet, für den George Bernard Shaw den Tango lernte. An die großen Gäste erinnert man sich hier mit Stolz — so wurden die beiden wichtigsten Suiten nach jenen benannt, die das Hotel durch ihren Besuch wohl am nachhaltigsten prägten: Churchill und Shaw.

Für Churchill selbst schien sich die Erholung während seines Aufenthaltes in jedem Fall ausgezahlt zu haben: Er wurde hier nicht nur schnell wieder gesund — 1951 gewann er zudem die Unterhauswahlen im Vereinigten Königreich und gelang so noch einmal in das Amt des Premierministers.

Reid’s Palace, Estrada Monumental 139, 9000-098 Funchal, Madeira, Portugal, Telefon:+351 291 717 171, www.belmond.com/de/reids-palace-madeira